Samstag, 19. März 2011

Sendet uns Eure Leserbriefe!

Wir sammeln Eure Leserbriefe zu Menschenrechten, Rechtstaatlichkeit und Demokratie, und stellen sie zur Diskussion.

7 Kommentare:

  1. Kann Westen demokratischen Geist in Arabien beurteilen?

    Leserbrief Basellandschaftliche Zeitung vom 12. März 2011, BaZ vom 17. März 2011, NZZ vom 19. März 2011, ...?

    Zuweilen wird vorlaut behauptet, den Aufständischen in der arabischen Welt gehe es nicht in erster Linie um Gerechtigkeit und Demokratie. Flüchtlinge aus Nordafrika werden daher von der SVP bis über die bürgerliche "Mitte" hinaus zynisch als "Wirtschaftsflüchtlinge" bezeichnet. (Dass die Schweiz über Jahre hinweg einen aktiven Beitrag zur Stabilisierung der Diktaturen in den jetzigen Krisenregionen geleistet hat, wird dabei verschwiegen).
    Natürlich hat auch Armut zu den Aufständen geführt. Doch gerade demokratische Mehrheitsentscheide bieten die beste Gewähr, dass der Reichtum einer Nation gerecht verteilt und eine entsprechende Verteilung als rechtmässig akzeptiert wird. Man muss nicht im Westen das Licht der Welt erblickt haben, um diesen Gedanken verstehen und sich für Demokratie einsetzen zu können – im Gegenteil: Wer meint, Demokratie sei ein Gut, das ihm in die Wiege gelegt wurde, verkennt zu leicht, dass Demokratie von jeder Generation aufs Neue gegen Missbrauch und Ideologien verteidigt werden muss. Ist der Westen angesichts des ausufernden Populismus und seines teils blinden Glaubens an die bessere Herrschaft von Wettbewerb und Konkurrenzkampf überhaupt noch so demokratienah, um den demokratischen Geist, der woanders vielleicht frischer weht, beurteilen zu können? Es sei auch daran erinnert, dass sich der Protest an einem behördlichen Willkürakt gegen einen Gemüsehändler entzündet hat, und somit durchaus nicht nur mit dem Fressen, sondern auch etwas mit Moral und Rechtsempfinden zu tun haben dürfte.

    AntwortenLöschen
  2. Ausgrenzung im Kleide des Realismus

    (Wochenblatt für das Laufental und Schwarzbubenland, 24.3.2011, .......)

    Kommentare auf Online-Foren sind manchmal entlarvend, etwa hinsichtlich von Ausgrenzungsreflexen im Kleide des „Realismus“. Ein Beispiel aus der Atomdebatte: Gewisse Kommentatoren reduzieren die Ursache des wachsenden Energieverbrauchs auf das Bevölkerungswachstum, und – in einem zweiten Schritt – auf die "Überfremdung". Ergebnis: Hätten wir weniger Ausländer, bräuchten wir weniger Atomkraftwerke. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie fremdenfeindliche Reflexe rationalisiert werden. Selten fehlt auch die obligate Bemerkung am Rande, man breche mit einem Tabu und nenne die „realen“ Probleme endlich beim Namen.
    Wir alle verbrauchen mehr Strom als früher, nicht zuletzt, weil wir länger leben. Doch keiner käme deshalb auf die Idee, einen Zusammenhang zwischen der längeren Laufzeit unserer Grosseltern und derjenigen von Atomkraftwerken herzustellen. Wer Ressentiments schürt, will oft von den realen Problemen ablenken, weil er zu deren Lösung ein gehöriges Quäntchen beisteuern müsste. Hoffentlich reflektieren wir unsere Reflexe und durchschauen die Absichten gewisser Aufwiegler, bevor auch uns irgendwelche Ereignisse auf den Boden der Realität zurückholen. Heute beweist Realitätssinn, wer angesichts einer zunehmend komplexen und hoch technisierten Welt erkennt, dass man viele Probleme nicht mehr im Alleingang, sondern nur noch gemeinsam lösen kann.

    AntwortenLöschen
  3. Atom-Hysterie?

    (Leserbrief in der Basellandschaftlichen Zeitung vom 29. März 2011, ...)

    Im Moment herrsche eine gewisse Atom-Hysterie, später werde man die Frage wieder nüchterner beurteilen. So oder ähnlich reklamieren Befürworter der Atomenergie die Nüchternheit für sich.
    Die Meldungen aus Japan konfrontieren uns täglich mit den furchtbaren Konsequenzen der Atomtechnologie. Wir sind nicht mehr fähig, unsere "Apokalypse-Blindheit" (Günther Anders) aufrecht zu erhalten, kurz: wir sind ernüchtert. Aber sind wir nicht erst als Ernüchterte nüchtern?
    Wer an der Atomtechnologie festhalten will, muss das Ausmass ihrer furchtbaren Konsequenzen ausblenden. Zu diesem Verdrängungsakt gehört, dass man diejenigen, die sich aufgrund ihrer Empathiefähigkeit gegen das Verdrängen und Vergessen wehren, als hysterisch und realitätsfern bezeichnet.

    AntwortenLöschen
  4. Keine Demokratie ohne Solidarität

    Gastbeitrag in der Basler Zeitung vom 30. März 2011

    Der Pfarrer Peter Ruch möchte den Sozialstaat abschaffen. Denn dieser funktioniere wie eine Drogensucht, erzeuge «Sozial-» und «Bildungsdealer», sei verantwortlich für Fremdenfeindlichkeit und überhaupt des Teufels, da er als allmächtiger Fürsorger an die Stelle Gottes trete (BaZ 25.3.11). Fürchtet ein «Glaubensdealer» da Konkurrenz?

    Respekt.

    Arme, Waisen und Behinderte solle man sich selbst überlassen, irgendwer nehme sich ihrer schon an: Der Mensch brauche eine Portion Unsicherheit und Risiko. Das Volk sei frei und betreue sich selbst. – Solchen zynischen Rundumschlägen hätte die BaZ früher keine Plattform geboten. Nicht, weil man keine anderen Meinungen zuliess, sondern weil man wusste, was Meinungsvielfalt nicht bedeutet: Dass man unter diesem Deckmäntelchen gegen Minderheiten hetzen oder Schwache ausgrenzen darf.Der demokratische Diskurs ist auf Meinungsvielfalt angewiesen – wie auf mitmenschlichen Respekt. Zur Kultur des Miteinanders gehört, dass die Allgemeinheit jenen ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht, die nicht für sich selbst sorgen können. Selbst wenn der Sozialstaat sich zum «Anspruch auf flächendeckende Wellness auf Kosten anderer» pervertiert hätte, wie Ruch unterstellt, wäre die Forderung, ihn abzuschaffen, wie wenn man das Recht abschaffen wollte, weil man meint, die Justiz sei zu «kuschelig» geworden. Der Sozialstaat ist wie das Recht für die Schwachen da. Diese kulturellen Errungenschaften ermöglichen ein friedliches Zusammenleben, verteilen Freiheit und Lebenschancen – auf Kosten des «Rechts» des Stärkeren, der grenzenlosen Freiheit weniger.

    das Wohl der Schwachen.

    Dass uns Kultur von der Lebensrealität entfernt, zeichnet sie gerade aus, wenn Lebensrealität «Unsicherheit und Risiko» einer Naturordnung bedeutet, in welcher der Mensch dem Menschen ein Wolf ist, Solidarität dem Zufall überlassen bleibt. Stürzen sich «Sozialstaatsbürger in brandgefährliche Abenteuer», um dieser Lebensrealität wieder näher zu sein, ist das ihr gutes Recht, heisst aber nicht, dass die ganze Gesellschaft dieses Abenteuer wagen sollte, nur weil ein Fanatiker darin ihr Heil sieht.Demokratie ohne Solidarität funktioniert nicht. Die Stärke des Volkes misst sich daher am Wohl der Schwachen. Dass ich als atheistischer «Rechtsdealer» diesen Passus der Präambel der Bundesverfassung einem christlichen Seelsorger unter die Nase reiben muss, ist verrückt. Zu denken gibt mir aber weniger dessen Verblendung als die Schamlosigkeit, mit der sich Mächtige des Wutpotenzials solcher Menschen bedienen, sie in ihren Menschen verachtenden Affekten bestärken, ihnen eine Plattform bieten – kurz: sie instrumentalisieren und damit ihre eigene Menschenverachtung und Machtgier unter Beweis stellen.

    AntwortenLöschen
  5. Vollkanton-Initiative

    „Öisi Heimet“ ist natürlich eine völlig andere „Heimet“ als etwa diejenige ein Dorf weiter. Lächerlicher Lokalpatriotismus hat Hochkonjunktur, nationale Schneckenhauspolitik sowieso. Denn „unrichtige“ Patrioten werden nicht wiedergewählt, fürchtet Politiker. Doch der FdP täte es gut, sich wieder auf ihre liberale und weltoffene Tradition zu besinnen – gerade angesichts des BL-Wahlergebnisses! Die visionslose Vollkanton-Initiative löst keines unserer Probleme. Sie ist einer „Selbständigkeit“ verpflichtet, die sich längst in Luft aufgelöst hat und nur noch in rückwärts gewandten Köpfen existiert. Um Scheinprobleme zu „lösen“ haben wir unsere Politiker nicht gewählt! In einer zunehmend vernetzten und technisierten Welt kann man Probleme nur noch gemeinsam lösen. Reale und wachsende Probleme harren der Lösung – und es eilt! Also an die Arbeit, meine Damen und Herren!

    AntwortenLöschen
  6. Visionslose Vollkanton-Initiative (2)

    Ein vorbildliches Initiativkomitee! Ein Mitglied ist im Ratssaal fast nie anwesend (Bern), ein anderes schläft dort regelmässig ein (Solothurn). Liegt es vielleicht daran, dass die Nordwestschweiz "kaum Gehör" findet, meine Herren? Verschlafen haben Sie unter anderem Folgendes: Ihre Initiative ist einer „Selbständigkeit“ verpflichtet, die sich längst in Luft aufgelöst hat und nur noch als „öisi Heimet“ in verängstigten Köpfen herumschwirrt. Wir haben Sie aber gewählt, damit Sie sich der realen Herausforderungen unserer Zeit annehmen, nicht um Scheinprobleme zu „lösen“. Die visionslose Vollkanton-Initiative löst keines unserer zahlreichen und dringenden Probleme! Wenn in der politischen Arbeit schon nicht die eigenen Prinzipien im Vordergrund stehen, sondern, woher der Wind weht, sollte den FdPlern im Komitee wenigstens das Wahldebakel (Liestal) Anlass sein, sich auf die weltoffene Tradition ihrer Partei zu besinnen.

    AntwortenLöschen
  7. Es reicht!

    In der SVP kommt es zum intellektuellen Super-GAU: «Ohne Zuwanderung könnten wir uns heute das AKW Mühleberg sparen». Dass es zu solchen Aussagen kommt, war leider abzusehen. Aber wenn wir jetzt nicht aufpassen, fahren wir die Schweiz gegen die Wand.
    Die Ausschaffung von Energiekonsumenten führt nicht zur Abschaltung auch nur eines Atomkraftwerks, ohne dass woanders ein anderes ans Netz müsste. Als hätte es noch eines weiteren Beweises (und dieses Einwandes) bedurft: Den SVP-Führern geht es nicht darum, Lösungen für anstehende Probleme aufzuzeigen – und zu diesen mag die „Ausländerfrage“ gehören oder nicht –, sondern darum, ein fremdenfeindliches Klima zu erzeugen, um durch Zugewinn von Angst- und Wutwählern die eigene Machtbasis noch weiter auszubauen. Den SVP-Führern geht es um die totale Macht.
    Es gibt anscheinend keine Sachfragen, welche SVP-Führer nicht mit dem „Ausländerproblem“ in Verbindung zu bringen im Stande wären. Es gibt offenbar auch keine Ereignisse, die schrecklich genug sind, dass SVP-Führer für einmal davor zurückschrecken würden, eine solche Verbindung herzustellen. Ihnen sind alle Mittel recht, um gegen Ausländer zu hetzen; oder gegen „unrichtige“ Schweizer, Schwache, Invalide, Gutmenschen, Lehrer, Linke, Intellektuelle, „die da oben“, Europa und überhaupt gegen alles Fremde und Unvertraute – fremd, weil höchstens unzureichend verstanden.
    Menschen mit einem emotionalen Zugang zur Welt sind Demagogen ausgeliefert, wo man diese gewähren und die Demokratie missbrauchen lässt. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Menschen sich freiwillig ausliefern – aus Bequemlichkeit und Denkfaulheit. Wer die Wahl hat zwischen Kopf- und Bauchentscheid trägt deshalb eine Mitverantwortung am Betrug, den Machthungrige an uns allen begehen.
    Für Schweizerinnen und Schweizer, die nicht den bequemen Weg wählen, ist der wachsende braune Sumpf zutiefst beschämend. Denjenigen, die nicht mit Totalitarismus- und Geschichts-Blindheit geschlagen sind, aber bisher noch geschwiegen haben, rufe ich deshalb mit Stéphane Hessel (intellektueller Ausländer und Gutmensch) zu: Empört Euch! Meldet Euch zu Wort, sprecht miteinander, widersprecht einander, spendet, geht endlich wählen – egal was – aber tut jetzt etwas, das Mass ist voll!
    Um die „realen“ Umwelt- und sozialen Probleme lösen zu können – und diese kommen ja noch hinzu! – muss man zuerst die Bremser ausbremsen.

    AntwortenLöschen